Die Evangelisch-methodistische Kirche entstand im 18. Jahrhundert aus einer Erneuerungsbewegung in der anglikanischen Kirche, ausgehend von den Brüdern John und Charles Wesley. Sie bemühten sich um einen konsequenten Lebensstil, der Gebet und Bibelstudium sowie soziales Engagement gleichermaßen einschloss. Die ersten deutschen Gemeinden bildeten sich zwischen 1830 und 1850 durch Rückkehr aus England und vor allem aus Nord-Amerika.

1. Die Anfänge in Witzschdorf (1873 - 1900)

Die Gemeinde in Witzschdorf gehört zu den ältesten in Sachsen. Um 1870 begannen methodistische Prediger, die von Thüringen her kamen, im Erzgebirge zu predigen. Das bewusste Bekenntnis zu Gott und das aktive Glaubensleben in der Gemeinschaft fanden bei vielen durch die Industrialisierung verarmten Arbeiterfamilien, teilweise aber auch bei höher gestellten Bürgern regen Zuspruch.

Seit 1873 lassen sich in Witzschdorf regelmäßige Versammlungen der Methodisten nachweisen und bereits im Jahr 1880 erfolgte mit der Aufnahme von 5 Gliedern die Gemeindegründung. Die abgehaltenen Betstunden besuchten aber stets über 70 Person, so dass schon 6 Jahre darauf, also 1886, auf dem Grundstück des Gemeindegliedes Gustav Wünsch ein eigenes Kirchengebäude eingeweiht wurde. Es war damit erst das vierte in Sachsen (nach Schwarzenberg 1883, Dittersdorf und Zwickau 1885). Da Witzschdorf erst 1898 eine lutherische Kirche bekam, war es gleichzeitig die erste Kirche im Ort.

Wegen der fehlenden Religionsfreiheit in Sachsen verliefen die ersten Jahre unter schwersten Umständen, neben der lutherischen Staatskirche waren keine kirchlichen Gemeinschaften vorgesehen. So wurden offizielle Gottesdienste von Seiten der Behörden verboten, Prediger wurden ins Gefängnis gebracht und mit hohen Geldstrafen belegt, Zeitungen veröffentlichten schlimmste Schmähungen über die entstehende Gemeinde und Anfeindungen im Beruf und im Alltag waren häufig. Trotzdem hielt ein schnelles Wachstum an, so dass um 1890 ca. 25 Glieder der Gemeinde angehörten und über 90 Personen regelmäßig die Veranstaltungen besuchten. Von Witzschdorf aus wurden die Anfänge vieler anderer Gemeinden initiiert, so in Drebach, Venusberg, Oederan und sogar Dresden.

2. Schwierige Zeiten (1900 - 1920)

Nach dem Tod Gustav Wünschs 1900 und durch Fortführung der öffentlichen Anfeindungen schrumpfte die Gemeinde nach 1905 sehr schnell und stand im Jahre 1910 vor ihrer Auflösung, die Kapelle zum Verkauf. Durch Evangelisationen nach 1910 kamen einige junge Familien zur Gemeinde, ein Chor wurde gegründet und auch während des 1. Weltkrieges blieb die Gemeinde trotz mancher Verluste stabil.

3. Jahre des Wachstums (1920 - 1945)

Durch das Recht auf Religionsfreiheit in der Weimarer Verfassung von 1919 wurden viele Hemmnisse abgebaut und die Gemeinde konnte sich freier entfalten. Gottesdienste wurden legal und auch Jugendliche unter 21 Jahren und Nicht-Gemeindeglieder durften von nun an teilnehmen. In den 20er Jahren wuchs die Gemeinde weiter. Zu dem schon 1910 neugegründete Chor gesellte sich ein Mandolinenchor und ein Frauenchor. Die Sonntagschule wurde wöchentlich von an die 150 Kindern besucht, die meisten waren keine Gemeindekinder. Von Witzschdorf aus wurden die Gemeinden in Hennersdorf, Gornau und vor allem Augustusburg gegründet und wuchsen sehr schnell. Wichtiger Teil des Gemeindelebens dieser Zeit waren regelmäßig Evangelisation die teils enormen Zuspruch fanden (bis zu 200 Besucher). Diese führte viele Menschen zum Glauben und in die Gemeinde. Besonders trat die Witzschdorfer Gemeinde stets durch die große Zahl junger Menschen hervor.

Auch der Wunsch sich musikalisch zu betätigen nahm in der Gemeinde weiter zu. 1927 wurde durch Otto Bach ein Posaunenchor gegründet, der rasch Zulauf hatte. Konzerte des Bläserensembles, auch außerhalb der Kirche, waren sehr beliebt. Die bestehende Chöre wuchsen weiter und taten einen regelmäßigen und segensreichen Dienst. In den 30er Jahre gestalteten die Musiker der Gemeinde mehreren Oratorien und besuchten damit Gemeinden der Umgegend.

Die Statistik weist für 1937 70 eingeschriebene Gemeindeglieder auf, der Gottesdienstbesuch liegt bei über 100 Personen.  Es folgten jedoch wieder schwierigere Zeiten. 1943 wurde Prediger Metzner zum Kriegsdienst einberufen, so dass die seit 1941 auf dem Bezirk wirkende Gemeindeschwester Elisabeth Mistele seine Aufgaben übernehmen musste.

4. Eine lebendige Gemeinde (1945 - 1960)

Unmittelbar nach Kriegsende fanden sich viele Jugendliche aus dem Ort zur christlichen Gemeinschaft zusammen. Nicht ganz unbedeutend dürfte dabei die Verteilung von Care-Paketen gewesen sein, die der Gemeinde von amerikanischen Methodisten gesandt wurde. Doch auch nach dem Ende der Sendungen blieben die meisten dabei. Vor allem das gemeinsame Musizieren hatte zentrale Bedeutung. Ab 1948 kamen viele junge Menschen neu zur Gemeinde. Es wurde ein neuer gemischter Chor gegründet. Außerdem entstand aus der Jugend heraus das "Witzschdorfer Männerquartett", dass mit Rundfunkaufnahmen und Konzertreisen die Gemeinde in ganz Deutschland bekannt machte. Weiterhin bildete sich eine Laienspielgruppe, die regelmäßig Stücke aufführte und damit auch im Umland einige Bekanntheit erlangte.

Von besonderer Bedeutung war zu dieser Zeit die Bauernfamilie Emmrich. Sie beherbergte zeitweise die Pastoren, bot der Jugend Raum und stellte ihren Steinbruch für Freiluftgottesdienste zur Verfügung. Bruder Emmrich war auch wesentlicher Mitinitiator der Erweiterung der Kirche ab 1953. Die Räumlichkeiten boten schon länger den knapp 100 Gottesdienstbesuchern an normalen Sonntagen und  über 200 Personen zu besonderen Anlässen nicht genug Raum. Unter schwierigen Umständen wurden von der Gemeinde Baustoffe beschafft, die Kirche erweitert und auch die Innenausstattung erneuert. Am 24.10. 1954 konnte die Kirche von Superintendent Haase neu geweiht werden.

Bereits 1 Jahr früher hatte Pastor Konrad Jordan seinen Dienst angetreten, der schon Ende der 40er Jahre als Praktikant in der Jugendarbeit gewirkt hatte. Unter ihm stabilisierte sich die ausgesprochen junge Gemeinde (Durchschnittsalter 42). Zu seiner Zeit wurden mehrere Tochtergemeinden in der Umgebung gegründet, so in Flöha-Plaue und Gornau. Weitere Evangelisationen ließen auch die Witzschdorfer Gemeinde wachsen, so dass sie Ende der 50er mit knapp 150 Gliedern und Probeglieder (+ ca. 20 Gemeindekinder) ihre höchsten Mitgliederzahlen erreichte.

5. Kontinuität und Wandel (1960 - 1989)

Aus den Jugendlichen der Nachkriegszeit wurden Familien, die ihre Arbeit in  der Gemeinde und für die Frohe Botschaft fortsetzten. Auch die musikalische Prägung der Gemeinde blieb bestehen. Anfang der 60er zogen viele Familien aus Witzschdorf weg nach Zschopau, Chemnitz und Gornau. Eine Besonderheit der Gemeinde war es, dass nahezu alle Weggezogenen weiterhin der Gemeinde treu blieben und oft lange Fahrtwege in Kauf nahmen. Bis heute wohnt die Mehrzahl der Gemeindeglieder nicht im Ort.

Unter Pastor Joachim Putzke (1961-72) wuchsen die Familien zur einer festen Gemeinschaft zusammen, vor allem die Mitglieder des Chores unter Siegfried Seifert. Regelmäßige gemeinsame Urlaube und Rüstzeiten vertieften die Bindung untereinander und an die Gemeinde. Eine engere Verbindung entstand auch zur Evangelisch-lutherischen Gemeinde im Ort, mit der es nun regelmäßig ökumenische Gottesdienste gab. Bis heute ist diese Bindung sehr gut und zeigt sich in vielen gemeinsamen Veranstaltungen und Gottesdiensten.

In den 70er Jahren erfuhren, auch durch politischen Druck, viele Gemeinden einen Rückgang. Die Gemeinde in Waldkirchen verschwand 1974, die in Gornau Ende der 80er - häufig auch wegen Problemen bei Benutzung gemieteter Räumlichkeiten.

Ab 1980 bestanden zunächst lose, später engere Beziehung zum Gemeindebezirk Stuttgart-Weilimdorf. Durch Besuch der dortigen Jugend im Mai 1980 enstanden auch private Beziehungen "nach drüben", die z.T. bis heute bestehen. Ein Gegenbesuch war erst im Sommer 1990 möglich; diesem folgten in Abständen wiederholte Besuche und Gegenbesuche (zuletzt 2006).

In den 80er Jahren wurden aus den Kindern der Nachkriegsfamilien selbst Jugendliche.  Von den knapp 20 Jugendlichen des Jugendkreisen behielten aber leider nicht alle engen Kontakt zur Gemeinde. Auch die Verbindung Gemeinde-Jugend war in dieser Zeit nicht immer einfach. Zum Studium und zur Ausbildungen zogen Mitte der 80er viele junge Leute aus der Gegend weg und hinterließen in dieser Generation bis heute eine Lücke.

6. Neue Zeiten (1990 bis heute)

Pastor Gerald Kappaun (1989-1995) war im Wendeprozess 1989/90 politisch sehr engagiert. Der große Umbruch erweckte viele Hoffnungen auf eine freiere Arbeit der Gemeinden und Veränderung im gesellschaftlichen Leben. Leider machte sich für die Gemeinde zunächst die Abwanderung vieler junger Menschen bemerkbar, die eine Schrumpfung Anfang der 90er bewirkte.

Fördermittel und Programme boten Mitte der 90er die Möglichkeit die Kirche und ihre Anlagen zu sanieren und einen neuen Gemeinderaum zu schaffen. Jedoch brachten die weiterhin von Zeit zu Zeit durchgeführten Evangelisationen keinen Zuwachs. Vor allem in der mittleren und jungen Generation hat die Gemeinde keine all zu große Basis.

Ein fester Bestandteil der Gemeinde bleibt der Chor. Dieser tut regelmäßig seinen Dienst auch wenn die Zahl der Sänger von ca. 20 Ende der 90er Jahre auf inzwischen 10-12 deutlich rückläufig ist. Von 1949-1999 wurde de Chor von Siegfried Seifert geleitet. Im Jahr 2000 wurde die Leitung des Chores durch Helga Seifert übernommen, die diesen Dienst bis 2011 wahrnahm. Im Jahr 2011 durfte der Chor sein 100jähriges Jubiläum begehen und die Leitung ging an Markus Fuchs über. Auch der heute nur noch kleine Chor bleibt eine tragende Säule der Gemeinde. Zu Anlässen wird der Chor durch ehemalige Sänger, die inzwischen weiter weg wohnen und Instrumentalisten verstärkt.
[weitere Details siehe unter "Chor"]

Auch weitere Kreise wie der Seniorenkreis, der Posaunenchor, der Instrumentalkreis etc. prägen das Gemeindeleben und werden auch von Gemeindefremden besucht.

Aktuell zeigt sich die Gemeinde als lebendige Gemeinschaft mit ungefähr 25-30 Gottesdienstbesuchern an normalen Sonntagen. Seit 2005 gibt es wieder einen Posaunenchor, der aktuell projektweise musiziert. Im Jahr 2003 und zum 125-jährigen Gemeindejubiläum 2005 wurden von der Gemeinde größere Laienspiele aufgeführt. Hier zeigt sich, dass die Gemeinschaft auch über Generationsgrenzen hinweg tragfähig und verbindlich ist. Das Zitat des damaligen Pastors Roland Röseler von 1978 könnte auch heute noch so stehen: "Ich habe bisher keine Gemeinde kennengelernt, in der die Glieder so stark zusammenhalten wie in Witzschdorf. Zahlreiche Familien wohnen auswärts in Zschopau, Karl-Marx-Stadt [Chemnitz] und Gornau, Dittmannsdorf [...]. Sonntags finden sie sich im Gottesdienst zusammen und bleiben danach noch lange in der Kirche. Auf 80% der Gemeindeglieder ist Verlass. Mit Freude und solidem Können wird musiziert."

Und auch die Zukunft wird die Gemeinde weiter verändern. Im Glauben an unseren Erlöser Jesus Christus versuchen wir Gemeinde zu bauen und mit unserem Wirken und Leben die Frohe Botschaft weiterzugeben ...

 

Gott ist treu, durch den ihr berufen seid, zur Gemeinschaft seines Sohnes, Jesu Christi, unseres Herrn (1. Kor. 1,9)

(M. Fuchs)